Blick-Kiste: Zwischen Werkraum und Bühnentraum

BZ Foto IIInklusive Theatergruppe Blick-Kiste ist für jeden offen
Hochkonzentriert arbeiten die Teilnehmer an `ihren` Masken. Sie sitzen in einer Werkstatt der Einrichtung „Lebenshilfe“. Eine bunte Gruppe. Manche sind schon älter, einige noch recht jung. Was sie  alle verbindet, ist die Leidenschaft zu Kunst und Theater. Ein Teilnehmer formt seine Maske stets aus kleinen Tonkügelchen. Das dauert lange, die einzelnen  Kugeln werden sorgfältig aneinandergepresst. Eine Teilnehmerin arbeitet seit Wochen  an den Augen ihrer Maske.

BZ Foto IIIAnita Brütsch greift nicht ein. Jeder der 20 Teilnehmer arbeitet so, wie er kann oder möchte. Ob jünger oder älter, ob eine körperliche oder geistige Einschränkung vorliegt oder nicht. Denn etwa  die Hälfte der Teilnehmer stieß über die „Lebenshilfe“ zur Theatergruppe. Die Heilpädagogin Anita Brütsch hat das Konzept für  ein inklusives Masken-, Figuren- und Objekttheater entwickelt. Frau Brütsch ist von Anfang an dabei, wenn die Teilnehmer  `ihren` Bühnen-Charakter entstehen lassen. In wochenlangen Arbeiten, bevor die eigentlichen Proben überhaupt beginnen. 

Szenenwechsel:  Die Gruppe befindet sich nicht mehr im Atelier, sondern auf der Bühne des Theaters „Blick-Kiste“. Die Mitspieler stehen in einem großen Kreis. Sanfte Musik spielt im Hintergrund, die Musik wird rhythmischer.  „Bewegt euch so, wie es für euch natürlich ist und wie ihr euch gut fühlt“, sagt Theater-Mitglied Kai Günther. Die Akteure verlassen die Kreisformation, bewegen sich im ganzen Bühnenraum. Es herrscht eine ganz  andere Atmosphäre als noch  in der Werkstatt,  und doch hängt alles zusammen: Denn die fertigen   Masken liegen auf einer Bank aufgereiht und  `schauen` der Gruppe zu.  Bei den Schauspielern gibt es tatsächlich was zu sehen: Die  Bewegungen  werden zunehmend freier, einige gehen in die  Hocke, tanzen, nehmen Stöcke oder spielen zusammen mit anderen. Andere setzen ihre Masken auf.  Das alles geschieht ohne  Absprache,  wortlos. So entsteht ein Theaterstück, mit oder ohne Maske.

BZ Foto I„Wir schauen nicht nach den Grenzen, sondern nach den Möglichkeiten unserer Akteure“, beschreibt Kai Günther das Konzept der Theatergruppe „Blick-Kiste“. Die inklusive Theatergruppe nimmt jeden unabhängig von Alter, Geschlecht und Behinderung auf.
Im vergangenen Jahr wurde das Stück „Grenzverträumt“ aufgeführt. Ein Riesenerfolg. Über 300 Besucher waren beim Finale  dabei. „Unser Stück ‚Grenzverträumt‘ bestand aus einzelnen Szenen, die wir in einer Collage verbunden haben“, erklärt die Heilpädagogin Theresa Müller. Beim  Sommerblutfestival 2013  in Köln gab es sogar einen Gastauftritt der Gruppe. Danach war allen klar: Wir machen weiter! Eine Studentin ist heute erstmalig bei den Proben dabei, letztes Jahr war sie noch Zuschauerin.  Ihr gefällt, dass die Gruppe so vieles ohne Text ausdrückt. „Ich finde es spannend herauszufinden, was man mit dem Körper alles  darstellen kann“, beschreibt sie.

Spannend bleibt auch, wie das aktuelle Projekt am Jahresende aussehen wird. Bisher gibt es nur einen Arbeitstitel: „Fenster und [T]Räume“. „Bei uns ist jeder gleichberechtigt und wir arbeiten gemeinsam an der Produktion“, erklärt Günther. Die Gruppe formt, bildet und gestaltet  sowohl die Masken , wie auch  das Stück.

Alle zeigen mit ihrer Kunst, wie sie sind (veröffentlicht am Sa, 15. Februar 2014 auf badische-zeitung.de)