Aus dem Reisetagebuch von Clemens Oberle: Schuldnerberatung auf peruanisch

Heute, am  30.12.05 wurde die letzte Rate eines ungewöhnlichen, verzinsten Entschuldungsdarlehens zurückbezahlt. Eine Entschuldung durch Vergleichszahlung 
in Peru! Anlass  in meinem Reisetagebuch von 2002 nachzuschlagen, wie  die Bankgeschichte ihren Anfang nimmt:

Moquegua (Südperu)

Dienstag, 29.10.02
Am Nachmittag eine  Lektion in Sachen Bankgeschäfte und Schuldnerberatung auf peruanisch.
Die  Familienangehörigen eines mir bekannten Freiburger Peruaners haben einen ganz normalen Bankkredit aufgenommen. Der alt’ Mutter ihr Häusle als Sicherheit  mit der Kleinigkeit von 48 % p.a. Zinsen für den Hypothekenkredit,  in der Landeswährung Soles (einigermaßen  US-Dollar-stabil).
Der Kredit  ist bei ein und derselben Bank dreimal umgeschuldet und mittlerweile mit 54 %  verzinst,  drei Mal waren Gebühren plus Restschuldversicherung fällig (fast so wie bei uns daheim).

Wir führen ein Strategiegespräch, üben für den Banktermin am nächsten Tag. Ich werde den „bad boy“ spielen: Ich bin der, der sein Scheckheft gerne wieder einsteckt. Der aufgeweckte Schwiegersohn soll mich und die Bank beknien, soll bei sich verhärtenden Fronten kompromissbereit bleiben,  die betagte Mutter darf  herzzerreißend weinen und wehklagen …

Mittwoch, Moquegua.
Der Tag des Banktermins mit dem bankeigenen Rechtsanwalt. (Die ganze Belegschaft besteht aber nur aus eben jenem Rechtsanwalt,  Administrator, Sekretärin, Kassenmensch und bewaffneten Security-Mann).
Damit’s erst mal ein bißchen was zu tun gibt, frage ich nach der Summe aller Einzahlungen auf den (dreifach refinanzierten) Kredit.
Und tatsächlich, die Zahlen liegen auf dem Tisch – Kompliment! Aber damit ist auch klar, dass das Kapital  zurückgezahlt ist. Protest … Wir verhandeln also nur noch über Zinsen?!  Es gelingt, wir schrauben die Spirale allmählich runter und landen am Ende bei 4.000 Soles  Nachlass. Das sind glatte 30 % auf einen dinglich gut gesicherten Kredit!
Stolzgeschwellt gehe ich drei Häuser weiter, um bei ‚unserer‘ Bankfiliale die Kohle zu holen.
Wieder zurück stellt sich heraus,  dass sie die Kursangabe für  An-und Verkauf zu ihren Ungunsten verwechselt haben.
Tja, tut mir sehr leid, ich hab‘ aber nur so viel dabei, wie mir von euch Bänkern selbst aufgetragen wurde… Auch das geht noch von der Schuld runter!
Also, wie wär’s mit’ner WOS-Schuldnerberatungsstelle in Peru?

Donnerstag, Moquegua
Die Bankstory geht weiter. Am frühen Vormittag klopft’s an meiner Schwiegertante Tür. Der Bänkeranwalt und der Kassenmensch von gestern. Es wäre ihnen ein Fehler unterlaufen.
Was – noch einer?  Sie möchten gerne den Einzahlungsbeleg von gestern wiederhaben bzw. gegen einen neuen tauschen!? Ich schau’ mir das Ding genauer an und tatsächlich, mir wurde Dollar statt Soles quittiert. Ich habe einen Original-Bank-Kassenbeleg, der auf über 6.000 Dollar mehr lautet, als ich tatsächlich bezahlt habe. Die haben Glück, das ich so ein herzensguter Mensch bin, sonst wären sie mehr als  den Job los.

Abends, außerhalb, auf einem Aussiedler-Bauernhof:
Es wären Bänker da, die mit mir sprechen wollten. Was nochmal? Und hier draußen!
Diesmal ein neues Gesicht , der Chef-Innenrevisor der nächsten Großstadt Tacna (2 Auto-Std. entfernt!)
Warum sie mich geradezu verfolgten?
Er möchte sich nochmals und vielmals entschuldigen, menschliches Versehen eben.
Das sei aber mal nett und daß er für eine Entschuldigung sooo weit gereist sei….
Ob er vielleicht noch etwas auf dem Herzen habe?
Und tatsächlich: Sie wollen mir weitere notleidende Hypothekendarlehen verkaufen!
Die Bank selbst scheint ziemlich pleite zu sein. Und ich bin im Geschäft!

Eigentlich schade, daß ich morgen schon wieder abreisen muß.