Sein Ziel für den Lebensabend: Gutes tun

Wilhelm Oberles Stiftung setzt eine Million Euro jährlich für wohltätige Zwecke ein

Nordrach. Vor Beginn der Weihnachtszeit füllen sie wieder verstärkt die Briefkästen: Die Aufrufe, Gutes zu tun.
Selbiges hat sich Wilhelm Oberle schon lange auf die persönliche Fahne geschrieben. 2014 wird es 25 Jahre her sein, dass er eine soziale Stiftung gegründet hat.
Und zwar eine, »die sich, ganz einfach gesagt, mit Armut beschäftigt«, wie es Tochter Cathrin von Essen auf einer Info-Veranstaltung in Nordrach kürzlich auf den Punkt brachte.
Die Betriebswirtschaftswissenschaftlerin ist hauptberuflich im Vorstand der Stiftung tätig, deren Geschäftsführung wiederum in den Händen ihres Bruders Clemens Oberle liegt. Dieser – ein studierter Philosoph – kann sich noch gut an eine Kindheit erinnern, in der das im Hof liegende Plumpsklo der Eltern des Vaters zu benutzen war.

Eines Vaters, der 1931 in Nordrach geboren, in tiefer Armut »im Gässle« aufwuchs.
Eines Vaters, der Millionär wurde und der dies in letzter Konsequenz der Mutter zuschreibt: »Du willst ja doch nix arbeiten, dann gehst du aufs Büro«, gibt Stiftungsgründer
Wilhelm Oberle schmunzelnd den Grund wieder, dass er einst eine kaufmännische Lehre absolvierte.
Im Tal hatte dieser Beruf damals offenbar kein hohes Ansehen. »Wenn man aus dem Büro in die Produktion kam, dann hieß es: Jetzt kommt wieder einer vom Radiergummibau«, erinnert sich der heutige Träger des Bundesverdienstkreuzes und Nordracher Ehrenbürger.
In Betrieben verschiedener Branchen, über Stuttgart und Karlsruhe bis hin nach Frankfurt, war Wilhelm Oberle daraufhin in leitenden Marketingfunktionen tätig.
1961 machte er sich dann mit einem Pharma-Unternehmen selbstständig.
»Ich habe Glück
gehabt und war erfolgreich«, konstatiert er heute und weiß:
»Alle, die Erfolg haben, sind in der Gefahr zu glauben, dass sie alles allein gemacht haben.« Um so mehr betont er, dass es die Zeitumstände und das Glück waren, die ihm geholfen haben, vor allem aber auch: »Mitarbeiter, Bekannte, Freunde.«
In einem Alter, in dem »auch jeder andere in Rente geht«, verkaufte er seine Firma, »zu einem günstigen Zeitpunkt, zu einem günstigen Preis.« Und stellte fest, mit einem Mal viel mehr Geld zu haben, als er es für sein weiteres Leben brauchen würde.
Mit einem erheblichen Teil des Erlöses gründete er daher eine Stiftung, deren Zweck es ist, auf unbürokratische Weise Menschen in Not zu helfen.
»Erfolg kann ein Leben ausfüllen, aber er kann nicht der Sinn des Lebens sein«, meint Oberle, der auf Lebenszeit Vorstandsvorsitzender seiner Stiftung ist.

Mittel in Höhe von einer Million Euro fließen jährlich, je zur Hälfte ins In- und Ausland. In Deutschland handelt es sich hierbei hauptsächlich um die Vergabe von einmaligen finanziellen Hilfen an Menschen in Notlagen, die sich jedoch nicht selbst um Zuwendungen »bewerben« können. Von jährlich 2000 Anfragen werden etwa 700 positiv entschieden, wobei die Hilfsleistungen je nach Notlage vielfältiger Art sind. Besonders problematisch sind Stromsperren«, weiß Cathrin von Essen. Denn wenn zum Beispiel bei einem Diabetiker der Kühlschrank nicht mehr läuft, verderben seine Medikamente. In Härtefällen wie diesen gewährt die Stiftung Beihilfen zur Begleichung von Primärschulden, wobei wir es nicht so notwendig finden, nachzubohren, wie es zu der Notlage gekommen ist.

Mit der Gründung einer Stiftung, die von zwei Kindern von ihm geleitet wird, wollte sich Wilhelm Oberle (Mitte) dankbar erweisen für das, was er selbst im Leben empfangen hat.
Unser Foto zeigt ihn mit seinen Kindern Cathrin von Essen und Clemens Oberle.
Fotos: Kleinke-Bialy

Stolz ist die Stiftung darauf, einen Entschuldungsfond gegründet zu haben. Denn der holte die evangelische und katholische Kirche mit ins Boot – »in einer erstmals wirklichen Kooperation zwischen beiden«, wie von Essen betont. Auch Zuschüsse für medizinische Hilfsleistungen oder etwa behindertengerechte Fahrzeuge gewährt die Stiftung, desgleichen zu Ferienfreizeiten. Hinzu kommen Darlehen, sei es zur Finanzierung einer Mietkaution oder eines beruflich notwendigen Führerscheins. Einen dritten Bereich stellt die Finanzierung regionaler Projekte für benachteiligte Kinder und Jugendliche dar.
Das können Präventionsveranstaltungen an Schulen zu den Themen Armut, Konsum und Schulden sein. Oder Zuschüsse für Kinderbibliotheken oder Hausaufgabenhilfe – gerade auch dann, wenn es um Spracherwerb geht. Oder es wird Hilfe in Form eines Schülerstipendiums gewährt, wie im Fall eines Roma-Mädchens, das auf diese Weise eine Ausbildung machen konnte statt Geld verdienen zu müssen.
Überdies werden kulturelle Anliegen unterstützt, wobei die Stiftung – wie in anderen Bereichen auch – jene Menschen und Organisationen berät, die Menschen in Not helfen. So geschehen bei einem von einer Sozialarbeiterin veranstalteten Filmprojekt für Hauptschüler, viele von ihnen mit Migrationshintergrund. Das Ergebnis erhielt den Jugendfilmpreis. Im Ausland, in Ländern Lateinamerikas und Afrikas, bemüht sich die Stiftung um zumindest minimale Struktur-verbesserungen sowie um Hilfe zur Selbsthilfe. »Gib den Armen keinen Fisch, sondern eine Angel«, verdeutlicht Geschäftsführer Clemens Oberle das Prinzip.

Artikel aus dem Kinzigtal Kurier vom 13. November 2013 von Inka Kleinke-Bialy