„Wasser marsch!“ in den Anden

Die Geschichte einer Eigeninitiative

Wasser, der Quell des Lebens! Altbekanntes Sprichwort und tatsächlich läuft ohne Wasser im wahrsten Sinne des Wortes nichts. Insbesondere in der zweithöchsten Gebirgskette der Welt – den Anden. In den angrenzenden hügeligen Hochebenen, die goldbraunen Wellen gleichen, wachsen einzelne Sträucher, Gräser und Trockenpflanzen. Das Land ist karg, das Leben hart. Von Knappheit können die Menschen im andinen Hochland ganze Lieder singen. Auch in Sunimarca warten die knapp 2.000 Bewohner schon lange auf Wasser.

Gleich von Projektbeginn an sollte ein Wasserreservoir gebaut werden. Doch der Wasser-Antrag schien sich Monate und schließlich Jahre im Bürokratie-Dschungel Limas verirrt zu haben. Immer wieder wurde angefragt, immer wieder wurden die Bewohner vertröstet. Sunimarca liegt für die Bürokraten der Hauptstadt, mit ihren fast 9 Millionen Einwohnern nun mal „am Ende der Welt“. Maschinen und Mitarbeiter dorthin zu schicken, bedeutet ein großes und noch dazu teures Unterfangen. Doch es ist nicht unmöglich!

Kleinere Projekte wurden in der Zwischenzeit in Sunimarca gestartet. Auch ein größeres Unterfangen wurde angegangen: Der Bau der Jahnke-Kunkel Strasse, die Sunimarca mit Ayaviri verbindet.  Ayaviri ist mit etwas über 19.000 Einwohnern die nächstgrößere Stadt. Wenn etwas gebraucht wird, dann bleibt den Bewohnern von Sunimarca nichts anderes übrig, als nach Ayaviri zu laufen.  Deshalb ist eine Verbindungsstraße so wichtig! Über mehrere Monate zog sich die Bauzeit hin. Bagger, Lastwagen, Raupen – alles musste nach Sunimarca transportiert werden.  Dass diese Maschinen nicht nur für den Strassenbau nützlich sein könnten, das war den kreativen Bewohnern Sunimarcas von Anfang an klar.

Sobald sich der Bau der Straße dem Ende neigt, werden die Straßenbauarbeiter mit dem bereits langersehnten Projekt „Wasserreservoir“ bekannt gemacht. „Können wir die Maschinen nutzen, um das Loch für das Wasserreservoir zu graben?“, fragt ein Bewohner. „Wenn die Maschinen schon mal hier sind, kann das zweite Projekt doch auch gleich verwirklicht werden, oder? “, hakt ein zweiter Bewohner nach.

Die Arbeiter setzen sich mit der Baubehörde in Verbindung. „Nein“, so lautet die Antwort aus Lima. Die Straßenbau- und Wasserbauämter hätten nichts miteinander zu tun. Und natürlich könnten die Straßenbaumaschinen nicht für einen Wasserbau weiter finanziert werden. „Ganz unmöglich“, so eine zweite Rückmeldung.
Doch diese Ämterlogik wird von den Bewohnern Sunimarcas nicht geteilt. Bagger ist Bagger, Lastwagen ist Lastwagen! Die Sunimarceños wenden sich nun direkt an die Bauarbeiter vor Ort. Einige der Arbeiter sind ehemalige Bauern, die für ein `besseres` Leben in die Stadt gezogen waren. Ihnen wird die Dringlichkeit des Wasserreservoirs besonders ans Herz gelegt.  Zusammen besichtigen sie eine etwas höher gelegene Stelle  im Dorf:  „Hier soll unser Wasserreservoir gebaut werden“.
Die Bauarbeiter äußern Bedenken und Einwände: „Wir haben keinen Treibstoff mehr. Unsere Maschinen können also nicht arbeiten“. Doch die Sunimarceños organisieren in kürzester Zeit einen Kanister Diesel. So lösen sich die Vorbehalte regelrecht in Luft auf, denn für jedes  Hindernis finden die Einwohner einen Ausweg.

Die Maschinen und Bauarbeiter sind jetzt hier und müssen jetzt  genutzt werden! Die Dorfbewohner erkämpfen sich –  lediglich mit  Überzeugungskraft und praktischen Lösungen– ihr Wasserreservoir. Die  Straßenbaumaschinen werden eingesetzt. Die Sunimarceños legen selbst Hand an und unterstützen die Bauarbeiten. Plötzlich geht alles ruckzuck.

Bau der Strasse Sunimarca – Ayaviri


Es gibt Wasser! Die Bewohner verlegen Wasserleitungen in das Dorf und damit kommt ein wahrer „Strom“ von Wandel:  Das Dorf verändert sich in kürzester Zeit. Kleine, gut isolierte Lehmhäuser werden gebaut, neue Gärten angelegt, ein Gebäude zur Haltung von Kühen errichtet.

Neu angelegter und bewässerter Garten


Der Knoten – oder passender – die Wasserbombe ist geplatzt. Die Landentwicklung in Sunimarca explodiert regelrecht. Als hätten die Bewohner nur auf den Ruf „Wasser marsch“ gewartet! Wasser ist Leben, das wird in den Hochanden  unmittelbar sichtbar, begreifbar und spürbar.