Mit zinsfreiem Darlehen aus der Schuldenfalle

Neuer Entschuldungsfonds soll Privatpersonen helfen.
Immer mehr Menschen wachsen die Schulden über den Kopf. In Baden-Württemberg gelten 270 000 Haushalte als überschuldet, bundesweit sind es drei Millionen. Der Diözesan-Caritasverband Freiburg, das Diakonische Werk Baden und die Wilhelm Oberle-Stiftung aus Staufen haben nun einen Entschuldungsfonds gegründet, den ersten trägerübergreifenden Deutschlands. 300 000 Euro stehen für zinslose Darlehen bereit, damit Schuldner aus der Zahlungsfalle kommen.

1,2 Millionen Familien können Schulden nicht mehr abbezahlen

„Wenn Sie so viel arbeiten können, wie Sie wollen, und trotzdem immer nur Schulden sehen, dann ist das folgenreich für Ihre Biografie.“ Johannes Stockmeier, Hauptgeschäftsführer des Diakonischen Werkes Baden, verwies gestern bei der Vorstellung des „Entschuldungsfonds Baden“ darauf, dass in den 270 000 überschuldeten Haushalten im Land rund eine halbe Million Menschen diese düstere Dauerperspektive haben. Bundesweit hat die Überschuldung in den vergangenen 15 Jahren dramatisch zugenommen, erklärte Diözesan-Caritasdirektor Bernhard Appel. 1989 waren es noch 1,2 Millionen Haushalte, heute sind es drei Millionen, in denen zwei Millionen Kinder leben. Der häufigste Auslöser für die Misere ist die Arbeitslosigkeit. Danach folgen Einkommensverluste durch Krankheit, Unfall, Kurzarbeit oder Scheidung.

Mit dem neuen Fonds sollen überschuldete Privatpersonen nun eine Chance auf einen Neuanfang bekommen. Der Caritas-Verband der Erzdiözese Freiburg, das Diakonische Werk Baden und die Wilhelm Oberle-Stiftung haben jeweils 100 000 Euro eingelegt. Schuldner, die sich von einer Beratungsstelle begleiten lassen und deren Gläubiger vergleichsbereit sind, können sich um ein zinsloses Darlehen bewerben, das innerhalb von drei Jahren zurückgezahlt werden muss.
„Oft fehlt das schnelle Geld“, sagt Stiftungs-Gründer Wilhelm Oberle. Gute Beraterpläne nützten wenig, solange ein Schuldner kaum flüssige  Mittel hat. Dabei sei der schnelle Ausgleich mit Gläubigern ein wichtiges Instrument, um die Schuldenlast abzutragen. Da ein Vergleich schneller als herkömmliche Entschuldungsverfahren sei, hätten auch Gläubiger daran ein Interesse.

2003 suchten ein Drittel mehr verschuldete Bürger Rat als 2002

Als untragbar bezeichnet Stockmeier die Tatsache, dass sich in Baden-Württemberg nur rund 100 Mitarbeiter mit Schuldnerberatung befassen, einige von ihnen in Teilzeit. Das Land sei Schlusslicht bei der Anzahl und Finanzierung der Beratungsstellen. Ratsuchende müssten bis zu einem Jahr warten. Ihre Zahl sei allein zwischen 2002 und 2003 bundesweit um ein Drittel gestiegen. Die privaten Insolvenzen schnellten sogar um 60 Prozent hoch. Dass die Landkreise Calw und Rottenburg die Schuldenberatung als kommunale Aufgabe eingestellt hätten, sei ein Skandal.

Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der BZ vom Sa, 03. April 2004:
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