Lebens-Hilfe!

BZ Foto_ Junge an MauerJugendliche helfen Jugendlichen bei der Suizidprävention

„Julia, danke, wegen dir lebe ich noch“, wenn Julia diesen Satz in ihrem E-Mail-Postfach liest, dann weiß die BWL-Studentin, dass sie das Richtige tut. Julia hilft Jugendlichen, die sie noch nie gesehen hat und wahrscheinlich auch nie sehen wird. Jugendlichen, die überlegen, sich das Leben zu nehmen. Ihnen schreibt Julia E-Mails, hört zu, fragt nach und versucht, eine Beziehung zu ihnen aufzubauen. Manchmal werden Emails aber auch nicht mehr beantwortet. Dann bleibt die Ungewissheit.

AKL BZ Bild_ Mensch schwebtSie ritzen sich die Arme auf, sehen keinen Ausweg: Jugendliche in Deutschland gehören zu der Altersgruppe mit der höchsten Suizidversuchsrate.
Bei „U25“ in Freiburg helfen Jugendliche anderen Jugendlichen.
Der Email-Posteingang leuchtet auf. Diesmal schreibt ein Junge. Er wird in der Schule heftig gemobbt und denkt darüber nach, sich umzubringen.  Das geht an Till weiter: „Könntest du das übernehmen? Ich glaube es wäre besser, wenn ein männlicher Peer antwortet“.

Beim AKL (Arbeitskreis Leben in Freiburg) dreht sich tagein und tagaus alles um Leben und Tod.
In einem kleinen Raum des AKL sitzen sich zwei Menschen gegenüber. „Ja, er hatte schon einen Suizidversuch hinter sich. Aber ich war so voller Hoffnung, dass er es packt. Das wir es gemeinsam packen!… und dann war es doch so ein schnelles Ende“, berichtet eine Betroffene leise. Ihr Sohn hatte sich das Leben genommen. Anfangs fiel sie in ein tiefes Loch.  Dann kamen verzweifelte Fragen und Selbstvorwürfe. Eine große Leere im inneren Chaos. AKL_Teamsitzung_SchumacherBei der Trauerbegleitung des AKL kann sie alles erzählen, sich von der Seele sprechen. „Meine Freunde und Bekannten können es schon nicht mehr hören. Ich möchte ihnen nicht auf die Nerven gehen“, sagt sie. Hier wird zugehört, hier kann sie Ungesagtes aussprechen. Sie kommt auch regelmäßig zu den Gruppenangeboten für zurückgebliebene Angehörige. Das gibt ihr Kraft und sie hat dort zwei neue Freundinnen gefunden. Sie haben eine ähnliche Geschichte erlebt . Sie stützen sich gegenseitig, wenn eine von ihnen  in ein Loch zu fallen droht.

Der AKL arbeitet in Einzelgesprächen oder Trauergruppen.  Ergänzend  werden Infoveranstaltungen angeboten. „Wichtig ist auch eine Enttabuisierung des Themas“, findet Wolfgang Stich, der den Arbeitskreis in Freiburg leitet. „So viele Menschen sind von dem Thema betroffen. Es ist wichtig, dass sie sich trauen, darüber zu sprechen, und wissen, wo sie Hilfe finden können.“
AKL FR U25_Arbeitsplatz_SchumacherHerzstücke der Arbeit sind die persönliche Beratung, Alltagsbegleitung sowie Trauerbegleitung.

Eine Frau meldet sich telefonisch. Sie möchte beim gemeinsamen Spaziergang über ihre Trauer sprechen: „Draußen fällt mir das einfacher“. Mit der Alltagsbegleiterin Heide trifft sie sich von nun an oft, um gemeinsam am Schloßberg spazieren zu gehen oder dem Lauf der Dreisam zu folgen. Ihre Gespräche plätschern dahin. Manchmal wird viel gesprochen, ein richtiger Redefluss sprudelt aus der Dame heraus. Ein andermal werden wenige Worte getauscht und trotzdem spürt sie die Unterstützung der Alltagsbegleiterin. Ihr ist danach ein bisschen leichter zumute.

Bei der Alltagsbegleitung möchten ganz unterschiedliche Menschen ehrenamtlich anderen Menschen in Krisensituationen zur Seite  stehen und sie durch die schwere Zeit auf einer „freundschaftlichen Ebene“ begleiten.

Die Oberle-Stiftung unterstützt den AKL schon seit mehreren Jahren mit vielen kleinen ‚Finanzspritzen‘ .  Je nach Bedarf, in unterschiedlicher Form und Größenordnung.

AKL FR FoyerWeitere Informationen zum  Arbeitskreis Leben (AKL) und U25 Freiburg

Quelle: Badische Zeitung /Marlena Maerz

Suizidprävention in Freiburg: Jugendliche helfen Jugendlichen (veröffentlicht am Mi, 30. Oktober 2013 auf badische-zeitung.de)