Ganz früh morgens sieht man sie durch die Straßen ziehen. Sie sind auf dem Weg zu den Lebensmittelmärkten in Cusco, um sich Arbeit zu suchen. Wenn sie dabei Glück haben, dann haben sie an diesem Glück schwer zu tragen.
Die ‚Cargadores‘ (Lastenträger) tragen Säcke, Beutel, Behälter und Bündel, oder schieben schwere Marktware auf Rädern durch die Stadt. Kartoffelsäcke auf ihren Schultern gehören zum Alltag. Satt macht das ihre Familien nicht immer.
Sie werden zwar wahrgenommen, aber nur als Menschen dritter Klasse:
.„Früher schlief ich nachts auf dem leeren Marktplatz. Auf ein paar Säcken oder einer alten Plane, wenn ich Glück hatte“, berichtet ein ‚Cargador‘ mittleren Alters. „Es kam oft vor, dass ich verprügelt oder von Hunden angegriffen wurde“. Die Lastenträger gehören zu den ärmsten der Armen.
Sie sind Migranten im eigenen Land.
Wenn die Subsistenzwirtschaft auf den kargen Böden in den Hoch-Anden nicht ausreicht, um die Familie zu ernähren, dann müssen die jungen Männer mit ihren Familien die kleinen Dörfer verlassen, um bessere Lebensbedingungen für sich und ihre Familien in den Städten zu suchen. Und was können die ‚Ungelernten‘ aber ’starken‘ Kleinbauern in der Stadt machen? Die Lasten (der anderen) tragen!
Einer der Vorfahren der Lastenträger war Gregorio Condori Mamani. Heute ist das „Haus der Lastenträger“ in Cusco nach ihm benannt. Wir unterstützen dieses Haus.
Gregorio Condori Mamani war ein einfacher „Runakuna“, ein indigener Bauer aus dem Hochland. Ein wenig ‚berühmt‘ geworden ist er, weil er ein guter Erzähler seiner Lebensgeschichte war. Er fand jemanden, der für ihn als Analphabeten diese Erlebnisse aufgeschrieben hat: In früher Kindheit wurde er Vollwaise, er musste sich zunächst als jugendlicher Knecht durchschlagen. Später, nach einem neunmonatigen Armeedienst und einiger Zeit im Gefängnis (er hatte für seinen Eintopf ein bisschen Fleisch gestohlen), landete er in Cusco. Er wurde Lastenträger und arbeitete „als Mensch wie ein Lasttier“. Beeindruckend an seiner Geschichte ist, wie genau er seine eigene Ausgrenzung wahrnehmen und beschreiben konnte. Das körperliche Tragen der Lasten war für ihn dabei das am wenigsten Schlimme.
Allein in Cusco gibt es aktuell rund zweitausend Lastenträger. Die jüngsten sind erst 10 Jahre alt, kleine, schmächtige Jungs.
Die ältesten sind um die 50 Jahre alt. Sie haben sich in ihrem harten Arbeitsleben mühsam ein eigenes ‚Geschäft‘ erarbeitet und befördern die Waren auf einem ‚Triciclo‘, einem Lastendreirad.
„La Casa del Cargador“ (das Haus der Lastenträger) möchte das Leben der Lastenträger erleichtern. „Hier können die Menschen in Ruhe übernachten, etwas essen. Wir bieten Betten für 3 soles pro Nacht an“, erzählt eine Mitarbeiterin. „Außerdem können sie sich hier duschen und ihre Wäsche waschen.“
Daneben gibt es die Möglichkeit, eine Abendschule zu besuchen oder an Workshops teilzunehmen. Was gewiss nicht einfach ist, nach der schweren Arbeit auf dem Markt.
Trotzdem nehmen viele an diesen Angeboten teil: z.B. an „Spanisch-Sprachkursen“ (die ‚Muttersprache‘ der Bauern aus den einsamen Dörfern der Hochanden ist nämlich „Quechua“!)
Daneben gibt es einführende Ausbildungslehrgänge, z.B. Kochkurse, um zunächst als Küchengehilfe, später vielleicht sogar als Koch, eine Arbeit zu finden. Auch der Führerschein kann erworben werden. So sind manche der Lastenträger zum Taxifahrer „aufgestiegen“.
Zunächst aber müssen die Mitarbeiter der `Casa del Cargador` die Lastenträger bei Behördengängen unterstützen, was meist damit beginnt, zunächst einmal richtige ‚Identitätspapiere‘ zu organisieren.
Oktavio, der Leiter des Hauses, ist zugleich Gründungsmitglied der Gewerkschaft der Lastenträger. Es war der Wunsch der Lastenträger „… die hier in Cusco leben, jung und alt, zusammen eine Gewerkschaft zu bilden. So gibt es eine große Kraft, mit einer Stimme“. Unermüdlich setzt sich die Gewerkschaft dafür ein, dass sich die Situation der cargadores verbessert. Inzwischen gibt es sogar ein Gesetz, dass ein maximales Gewicht von 50 kg pro Last nicht überschritten werden darf.
Die Oberle-Stiftung hilft seit vielen Jahren, die ein oder andere Last des Hauses der Lastenträger mitzutragen.