Filmprojekt „Dschungelbuch“ bringt Leben in die Flüchtlingsunterkunft

Dschungelbuch_Foto_InternetEs ist wieder soweit, die Kamera steht bereit. „Klappe und Action!“ Inzwischen kennen die Kinder die Szenenfolge auswendig. Jeder weiß, was er zu sagen hat. Für manche sind es bisher die ersten vollständigen Sätze auf Deutsch. 30 Roma-Kinder, die in der Flüchtlingsunterkunft an der Hermann-Mitsch-Straße leben, spielen und filmen das „Dschungelbuch“.


Der kleine Denis (11) zum Beispiel verwandelt sich bei den Dreharbeiten  in den gefährlichen Tiger Shir Khan. Vor Freude grinst er bis über beide Ohren. Er versucht still zu sitzen, damit die Sozialarbeiterin Petra Gebhardt sein Jungengesicht in einen Tiger verwandeln kann. Denis wartet kribbelig auf seinen Einsatz, der ganze zwei Sätze lang ist: „Alle haben Angst vor mir!“ Und: „Na gut, ich zähle bis Z und du bist weg – eins, zwei, drei…“.

kleiner Junge beim schminken in der Maske

Denis lernt Deutsch in einer internationalen Vorbereitungsklasse. Doch spielerisch leicht fällt ihm die neue Sprache nur beim Filmen. Das geht auch den anderen Kindern so. Seine beiden jüngeren Geschwister, im Film als Äffchen besetzt, lernen mühelos die Sätze und verstehen den Text ohne Erklärungen. Elwis (10) steht als Affenkönig ganz vorn, Elma (6) ist  mittendrin bei den anderen Affen. Sie plappern alle wild und aufgeregt durcheinander. Dann machen sie nach, was die freie Theaterpädagogin Alexandra Ringler ihnen zeigt: In die Hocke gehen, weit und hoch hüpfen und dabei „Schubidu!“ rufen. Im Anschluss wird lauthals das Dschungelbuch-Lied gesungen: „Probier’s mal mit Gemütlichkeit…“. Die Affenbande ist ganz außer sich.

Naser (11) ist Mogli, die Hauptfigur, er musste eine Menge Text lernen. Er denkt oft daran, wie es wohl gewesen wäre im Dschungel aufzuwachsen, statt im Kosovo. Auch wenn seine Lieblingstiere eher zahme Hauskatzen und Hunde sind, hätte er doch gerne wilde Tiere zum Freund.

BZ Foto I

Naser und Elwedina, die die grüne Schlange Kah darstellen, spielen vor den Bühnenbildern, die von allen Kindern zusammen mit den Sozialarbeiterinnen gemalt wurden. Das ist nur ein Teil  der Vorbereitungen, die vor Monaten begannen.  Am besten finden die Kinder  das Schminken – sie  würden sich am liebsten jeden Tag erneut in ihre Figuren verwandeln lassen. Sie fiebern  dem Eintauchen in die Dschungelwelt entgegen. Doch das Drehen beschränkt sich auf drei Wochenendtage, für mehr Drehtage reicht das Geld nicht. Die Finanzierung läuft über die Oberle-Stiftung und den Asylhelferkreis St. Christoph.

Am Ende werden die aufgenommenen Szenen geschnitten, alle Kinder bekommen eine CD mit `ihrem` Film. Einige haben das „Dschungelbuch“, das ihnen die Sozialarbeiterinnen vorgelesen haben, inzwischen auch selbst gelesen. So wie Sultana (10) und ihre beste Freundin Lindita (11), die den Bären Balu spielen – gemeinsam, denn Balu ist groß und dick, Sultana und Lindita aber sind dünn. Die zwei sind in Freiburg geboren und haben ihr ganzes Leben in der engen Flüchtlingsunterkunft verbracht.

Oft teilen sich dort fünf Menschen ein Zimmer, da wird Ablenkung umso wichtiger. Das „Dschungelbuch“ passt besonders, findet Petra Gebhardt – mit Geschichten um Gefahren und Fremdsein. Das wiederum kennen die Kinder aus ihrem eigenen Leben.

Quelle: Badische Zeitung

Kleiner Ausflug aus dem engen Alltag (veröffentlicht am Mi, 5. April 2011 auf badische-zeitung.de)