Dauerflimmern in der Luft, Risse im Boden, dorniges Gestrüpp, Sandkörnchen überall. Periodische Dürren, Erosionen durch Überweidung und Entwaldung, eine hohe Bevölkerungsdichte, enorme Steuersätze auf agrarische Erzeugnisse und eine schlechte Infrastruktur: Äthiopien gehört zu dem ärmsten Ländern der Welt!
Ohne Wasser läuft nichts. Viele Bauern wohnen in extrem trockenen Gebieten, mit jahreszeitlich ausgetrocknenden Wasserrinnsalen …
Eigentlich bestünde das Potenzial für eine bessere Selbstversorgung mit Vieh, Getreide, Gemüse und Obst. Sogar ein Überschuss-Verkauf bis hin zum Export ließe sich erreichen.
Aber das Wasser dazu? Das muss von weit her geholt werden. Klar, die Aufgabe der der Frauen und Kinder. Mit ihren Plastikkanistern legen sie täglich viele Kilometer zurück. Oft sogar mehrmals täglich. Im Ort Koraro im Norden Äthiopiens würde ein „Unterwasser“-Staudamm eine nachhaltige Wasserversorgung ermöglichen. Doch der Weg dahin ist so weit und steinig wie das tägliche Wasserholen.
Zunächst einmal bräuchte es kompetente Ingenieure, die das Projekt planen, begleiten und umsetzen…
Dafür fanden sich als „Ingenieure ohne Grenzen“, zwei Studenten aus Münster, die in ihrem Praxissemester einen Staudamm bauen wollten!
Solche Einsätze müssen gut vorbereitet werden: Pläne zeichnen, Modelle aufschichten, ausrechnen, wie stark die Bauarbeiter den Ton, aus dem die Staumauer bestehen soll, zusammenpressen müssen, Genehmigungen bei der Wasserbehörde einholen und Vieles mehr.
Auch das Wasser selbst kann solchen Projekten einen Strich durch die Rechnung ziehen. Wenn der erste Regen vor Bauabschluß kommt, und der Regen kommt oft sturzflutartig , ist es mit dem ganzen Projekt auch schon wieder vorbei.
Daneben muss natürlich die Finanzierung für das Projekt gesichert sein…
Wie gut, das sich – neben dem eifrigen Spendensammeln – auch eine bestimmte deutsche Stiftung fand, die eine „Ausfallbürgschaft“ beisteuerte, damit rechtzeitig begonnen werden konnte.
Vor Ort gehört dann viel Improvisationstalent dazu, bis in Afrika das Wasser fließen kann. Das mußten die deutschen Studenten schnell lernen. Am Wichtigsten ist, dass die Dorfbewohner vor Ort eingebunden werden. Es muss „ihr“ Staudamm sein. Sie müssen selbst Hand anlegen, verstehen wie alles gebaut wird, weil sie später auich die Wartung des Staudamms übernehmen.
Und so sieht es dann also aus, wenn junge Ingenieure nervös werden: In drei Wochen, schätzen Dietmar Klopfer, 28, und Aadil Belgriri, 29, vor dem ersten Regen, müssten sie ihren Staudamm fertig bauen – und jetzt? Setzt sich Klopfer erst einmal in den Schatten am Rande des trockenen Flussbetts, sein Kollege Belgriri steht mit zweifelndem Gesichtsausdruck unter einem Baumgerippe. »Das große Palaver«, sagt Klopfer – und sieht auf die 20 Männer, die mit am Unterwasserdamm bauen. Sie debattieren am Ufer, einer fuchtelt mit den Armen vor seinem Gesicht herum. Das Thema: Wie sollen sie die Arbeit aufteilen? Von alledem verstehen Klopfer und Belgriri aber kein Wort, denn der Übersetzer ist heute nicht gekommen …
Aber -wenn die kulturelle Übersetzung gelingt und die dorfeigene Logik entwickelt worden ist, kann es plötzlich erstaunlich schnell gehen.
Oft führen Flüsse nur in der dreimonatigen Regenzeit Wasser. Was nicht gleich verdunstet, versickert im sandigen Boden. Um dieses Wasser zu stauen, haben die Männer mit ihren Spitzhacken und Schaufeln einen drei Meter tiefen Graben ausgehoben und mit Ton aufgefüllt. Das Material dafür liefern die Termitenhügel in der Gegend. Dann wird das Flusswasser durch einen Filter in den Brunnen geleitet, der sieben Meter tief ist. Der Vorteil: Weil alles unterirdisch stattfindet, kann die Malariamücke ihre Eier hier nicht mehr ablegen.
Am Ende wird Trinkwasser fließen!
Quelle : DIE ZEIT / Judith Scholter
Wasser für Koraro (veröffentlicht am Do, 03. September 2009 auf zeit.de)